Claus O. Köhler

Claus O. Köhler
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Glossen

Anlässlich eines Besuchs in Traunstein:

Glosse

Die Leser dürfen sich mit Recht fragen, was ist ein Anlaß, um eine Glosse zu schreiben. Hier ist die Antwort: Wenn man nicht mehr glaubt, auf einem anderen Weg ein gestecktes Ziel zu erreichen und der Umwelt Kund tun will, wie schlecht die Welt doch sei.

Es war einmal.... so fangen nicht nur Märchen an....... es war einmal ein Krankenhaus in - weil es immer so schön ist, auf die Bayern einzuschlagen – in Bayern. Die Stadt soll Zweifelbrei heißen. Der Chefarzt hatte einen guten Freund. Jetzt im Nachhinein darf man sich natürlich fragen, wenn man die Glosse gelesen hat, ob das wirklich ein guter Freund war.

Der Freund schenkte vor 20 Jahren, das ist etwa das Vierfache eines Software-Lebens, dem Chefarzt einen Softwaregenerator, er konnte ihn ruhig verschenken, denn er war ja nichts wert, andere haben ihn auch schon geschenkt bekommen. Der Generator mußte sogar verschenkt werden, weil der Staat ein paar müde Mark dafür ausgegeben hatte, ihn fertigen zu lassen. So wie die anderen Beschenkten, nur etwa zwei Dutzend, machte sich auch der Chefarzt mit einer fürstlich bezahlten aber sehr cleveren medizinischen Dokumentarin daran, mit Hilfe des Generators Software für seine chirurgische Abteilung zu erzeugen.

Da die beiden ja unendlich viel Zeit hatten, um diese Software zu erstellen, denn es gab ja nichts entsprechendes zu kaufen, ist es nicht verwunderlich, daß in diesem Krankenhaus im Laufe der Jahre ein System entstand, daß nach Aussagen einiger natürlich sehr bedeutender Fachleute der KIS-Software von den Funktionen her so ausgereift und vollständig ist, wie jedes andere von den vielen angebotenen Systemen auf dem Markt. Das System in Zweifelbrei und die anderen Systeme auf dem Markt werden sicher in den nächsten 10 Jahren dann auch alle die Funktionen erfüllen, die so ein kleiner Trottel einmal vor 30 Jahren zusammengestellt hat.

Warum also die ganze Aufregung? Es geht doch alles seine ruhigen Wege. Die Verwaltung im Krankenhaus Zweifelbrei stellt den Betrieb des selbst gestrickten Systems ein und setzt nur noch das von der Weltfirma (wie war doch gleich der Name?) gelieferte System ein. Weil nun alles so schön bunt auf dem Schirm ist, und weil auch eine Maus zum Einsatz kommt, weil es unter Windows xx läuft und weil natürlich ein moderner Rechner dahinter steckt, geht ebenso natürlich auch alles viel, viel schneller. Man braucht wirklich nur zwei neue Personalstellen, um mit der ungeheuren Schnelligkeit des Systems fertig zu werden.

Ebenso natürlich sind die fast 20jährigen Erfahrungen nicht vergeblich gewesen. Selbstverständlich ist es für die Medizinische Informatik und die Weltfirma ein Klax, die paar in diesen 20 Jahren angefallenen elektronischen Krankengeschichten (böse Zungen behaupten es wäre die reinste Dissertations-Erzeugungs-Maschnine) in das neue System zu übernehmen. Jedenfalls freuen sich schon einige Musen auf die Hardware. Große Freude ist unter den anderen Benutzern des Systems ausgebrochen, nun ist das endgültige Aus dieses teuren, unhandlichen, unflexiblen und ungeliebten Systems endlich in Sicht. Der Staat, der dieses ehemals bezahlt hat, ist nach 4 Legislaturperioden und einem Regierungswechsel sowieso nicht mehr in der Lage, nachzuvollziehen, was aus seinen paar Mark (es waren wirklich nur alles in allem 600 TDM für drei Jahre), geworden ist.

Claus O. Köhler